Charles Baudelaire
« Combien de verres un canon doit-il faire, avant que j’oublie mon nom ? »
The answer my friend is blowing in the wind, the answer is blowing in the wind. La réponse souffle dans les feuilles des vignes apparemment. «
Neun Tage hielten wir auf Jean Michelots Grundstück in Pommard im Weinland Burgund die Weinlese ab. Ich klebte am ganzen Leib nach den zahlreichen Traubenschlachten in den Weinbergen, habe in Wein gebadet und die wahre Bedeutung des französischen Ausdrucks „être dans les vignes du Seigneur“; zu deutsch „in den Weinbergen des Herrn sein“, erfahren.
Am vierten Tag, dem der Erfahrung nach anstrengendsten und härtesten aller Tage der Lese, stand ich schweißgebadet in der Sonne und verfluchte in Gedanken jede einzelne Weintraube, die noch am Weinstock hing. An diesem Abend schmeckte der Wein so gut wie noch nie zuvor. „Welche Mühe und Sorgfalt stecken doch in jedem einzelnen Tropfen!“, erkannte ich. „Willst du einen Kir als Magenöffner?“, fragte mich die liebe Sophie und schenkte ein wenig Crème de Cassis und Rotwein der Sorte Burgund Aligoté in mein Glas. Ihr fröhliches „So, da hast du einen richtigen Kir!“ stimmte mich sofort zufrieden, so glücklich war ich, schon bis zu diesem Abend durchgehalten zu haben.
Im September erwachen die kleinen Dörfer im Burgund zum Leben, und wo vorher Ruhe und Ordnung herrschte, tummeln sich nun Menschen aus der ganzen Welt und machen den Herbstanfang zur turbulentesten, chaotischsten und gleichzeitig fröhlichsten und lebendigsten Zeit des Jahres. Denn in dem kleinen, verlorenen Flecken Pommard herrscht fortan die Betriebsamkeit eines Ameisenhaufens. LKWs und betrunkene Erntehelfer lärmen auf den Straßen, und die Dorfkneipe – ansonsten leer und trist – wird von einer Welle durstiger, bunt zusammengewürfelter Vendangeurs überschwemmt. Manche investieren ihre gesamten Tageseinkünfte abends wieder in flüssige Nahrung! Wir aber treffen immer weniger Jugendliche oder andere Weinlesehelfer, da Jean, der Patron, nahezu jedes Jahr den Beginn der Weinlese möglichst weit hinauszögert und dadurch als letzter beginnt. Jedes Jahr wartet er geduldig den richtigen Zeitpunkt ab, um seine Trauben nach Hause zu holen. Jeans Grundstück erstreckt sich über eine Fläche von 7,5 Hektar. Seine besten Weine sind der Pommard, Pommard 1er Cru (=Erstes, bestes Weinbaugebiet) und Pommard „Les Noizons“ (=Name einer Parzelle), die alle aus der Weinsorte Schwarzer Pinot hergestellt werden.
Morgens besteht keine Chance, seinen Rausch auszuschlafen! Jeden Tag um Viertel vor sieben ruft Hubert mitleidslos „Los aufstehen, ihr Faulenzer!“ und macht das Licht an. Diese kleine Zeremonie scheint zur Weinlese dazuzugehören wie der Wein.
Nach zwei Dutzend Begrüßungsküsschen und dem Frühstück quetschen wir uns auf die Hinterbänke der Busse und Hubert und Dadou fahren mit quietschenden Reifen ab – um halb acht und keine Sekunde später. Wir haben Glück, dass fast keine anderen Wagen mehr auf den kleinen, engen Sträßchen unterwegs sind. In Gedanken male ich mir das Chaos zur vollen Saison aus: wütend und gestresst hupende, wild fluchende Fahrer…
Am Morgen sind die Trauben noch kalt und feucht, weshalb man sich leicht schneidet. Natürlich verletzte ich mich sofort am ersten Tag gleich vier Mal und blute heftig. Meine ganze Hand ist rot, so wie die Trauben im Eimer! Danach passe ich besser auf, wo ich schneide, aber der saure Saft der Trauben brennt in meinen Wunden. Daniel kommt auf die gute Idee, mir einen Schutzhandschuh zu geben, und es geht gleich besser.
Erntehelfer Sophie und Daniel
In der Gruppe, die vor allem aus Jeans Freunden besteht, entwickelt sich ein toller Teamgeist.
Der ICE des Weinbergs ist Sandrine, die, kaum angefangen, schon am anderen Ende ankommt. Hubert und Daniel sind stets eifrig damit beschäftigt, unsere mit Trauben gefüllten Eimer in ihre großen Kisten zu füllen, die dann Dadou und Gérard, Jeans starke Männer, auf dem kleinen LKW zu den Weinfässern transportieren.
Die beiden Hunde von Marie und Sophie, Onyx und Merlin, fühlen sich im Weinberg richtig wohl! Einmal fläzt Onyx in meinem Rang, und immer wenn ich näher komme, springt sie auf, entfernt sich und legt sich ein kleines Stück weiter gemütlich hin. Wie gerne würde auch ich mich im kühlen Schatten des Weinstocks ausruhen!
Abends haben es alle eilig, die klebrige Dreckschicht unter der Dusche loszuwerden und das erste Glas des Feierabends zu kosten Nach der abendlichen Heimkehr aus dem Weinberg trinken wir immer kühlen Burgunder Rosé mit Daniel.
Sophie, Maud, Antoine und ich machen mit Merlin, Sophies Hund, meist einen kleinen Spaziergang, weil der Arme während der ersten Tage ganz alleine im Haus bleiben muss. Mit den beiden Mädels aus der Savoie wandern wir in die romantisch geschwungenen Hügel Pommards und lassen auch mal die Beine von den kleinen Mäuerchen baumeln, die die einzelnen Weinberge umgrenzen. Danach schlagen wir uns die Bäuche voll Fleisch mit Sauce, Bot und Käse und feiern. Der Wein dazu macht uns glückselig, fröhlich; lebendig und froh!
In den riesigen offenen Fässern beginnt der Traubensaft zu gären, was Wärme erzeugt. Um die sich an der Oberfläche ablagernden Trauben und den Saft darunter ausreichend zu mischen, gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist, die feste Masse mit einem monströsen Quirl manuell hinunterzudrücken:
Am Abschlusstag machen wir eine Riesenfeier, und Jean zaubert seinen besten Wein aus dem Keller hervor. Die traditionelle „Polet“ am letzten Abend beginnt mit einer feierlichen Ansprache Jeans und mit saftigen Happen, danach essen wir Fisch und „Gigot d’agneau“, Lammkeule. Der Fisch darf natürlich auch ordentlich schwimmen – so bleiben auch an diesem Abend keine Kehle und kein Auge trocken. Noch einmal stoßen wir auf die Weinlese 2007 an. Auf das es ein guter Weinjahrgang werde! Wir sind alle geschafft und müde, aber stolz und fröhlich. Vielleicht werden wir uns nächstes Jahr wiedersehen?
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