Montag, 12. November 2007


Filmbesprechung „Brüssel – Caracas“ von Vanessa Stojilkovic

Filmbesprechung „Brüssel – Caracas“ von Vanessa Stojilkovic

Die Belgierin Vanessa Stojilkovic geht in ihrem Film „Brüssel-Caracas“ in Form von Straßeninterviews in Belgiens und Venezuelas Hauptstädten der Frage nach, was Venezuelas aktueller Präsident Hugo Chávez aus seinem Land und Venezuelas Hauptressource, dem Öl, macht. „Wie wäre es, wenn die Einnahmen durch den Export des Öls nicht nur einigen Superreichen, sondern dem Volk zugute kommen?“, wird da gefragt.

Was erfährt man über Venezuela in den Medien? Die Befragungen in Brüssels Innenstadt stehen stellvertretend für die aktuelle Informationslage in Europa: Einige vermuten, Venezuela sei ein armes oder touristisches Land, doch die Mehrheit der Belgier weiß nichts zum Thema. Doch einige wenige reden auch von Revolution, Bürgerkrieg und Putschen oder geben an, gelesen zu haben, Präsident Hugo Chávez sei ein Diktator. So weit, so schlecht.
Die Kamera reist nun nach Venezuela, dessen Regierung beschlossen habe, dass die Einnahmen der PDVSA, der „Petróleos de Venezuela S. A.“, der nationalen Erdölgesellschaft, dem venezolanischen Volk in Form von sozialen Programmen zugute kommen sollen. Durch zahlreiche Reformen, so genannten „Misiónes“, hat Chávez innerhalb kürzester Zeit die Analphabetenrate von 10 auf 1% gesenkt, ein kostenloses staatliches Schulsystem sowie ein kostenloses Studium ermöglicht. Junge Frauen berichten von staatlichen Stipendien, ohne die ein Hochschulstudium für sie unmöglich geblieben wäre, ehemalige Straßenkinder erzählen von der Schule und ein alter Mann lobt die neue medizinische Verpflegung und Vorsorge. Seit Chávez hätten alle Venezolaner kostenlosen Zugang zu Kliniken, Krankenhäusern und Ärzten; selbst die Ärmsten würden durch kubanische Ärzte versorgt. Einfache Arbeiter bildeten Kooperativen und gründeten Firmen, die allen gemeinsam gehören; einen Chef oder Besitzer bräuchten sie nicht. Durch neu gebaute Läden, Kliniken, Fabriken und Spielplätze herrsche eine hohe soziale Aktivität und auch die Venezolanerinnen erweiterten ihren Wirkungskreis vom Haus und den Kindern auf die eigene Arbeit und emanzipierten sich durch Kreditvergaben.
Zahlreiche positive Veränderungen und soziale Verbesserungen seien also eingetreten, seit Chávez die Geschicke des Landes leitet, in dem zuvor 70% der Bevölkerung arm waren. Die nationalen Reichtümer würden real auf alle Venezolaner verteilt und nicht nur, so wie früher, auf wenige Reiche, resultiert der Film.
Wo genau das Problem liegt, denn die Sichtweise hänge auch hier vom Blickpunkt und damit von der sozialen Klasse ab. Das zeigt die Filmemacherin, indem sie die Kamera umschwenkt auf ein betoniertes Einkaufszentrum im God-bless-America-Stil mit „Las Vegas“- und „Hollywood“-Aufschriften. Sprachen vorher dunkelhäutige Venezolaner auf Spanisch von Demokratie und Meinungsfreiheit, die in ihrem Land herrsche, polarisieren nun blasse Amerikaner auf Englisch: Sie berichten mit geplagter Miene von Armut, Arbeitslosigkeit und Inflation, sie heulen über das Verbot der Opposition und über die herrschende Diktatur im Land. Im Hintergrund klingeln Handys und im Schaufenster präsentieren Bulimie-Schaufensterpuppen die neuesten Sünden von Gucci und Co. Ein gepflegter junger Mann erzählt gestresst, dass das Einkommen Vermögender „drastisch“ sinke. Diese Meinung spiegeln Sabotageaktionen und unerlaubtes Fernbleiben von der Arbeit durch höhere Angestellte und Management sowie auch ein sogenannter Steuerstreik des wohlhabenden Teils der Bevölkerung wider. Der„Putschist“ Chávez, ein „Diktator“, konzentriere außerdem alle Macht in seinen Händen, es gäbe keine Meinungsfreiheit mehr, die Regierung sei gleichgeschaltet. „He is a dictator!“ und „Wir werden noch wie Kuba enden!“, hört man da.
Es wird eine Angst spürbar, die sich 2002 entladen hatte, indem Chávez abgesetzt und eingesperrt worden war, doch „scheiterte der Umsturzversuch an den breiten Bevölkerungsmassen, die für ihren Präsidenten auf die Straße gingen, und dem Militär, das dem Putschaufruf des Generalstabs nicht folgte. Die Putschisten blieben ungestraft oder gingen ins Exil“1, so Wikipedia.
Doch laut den befragten Venezolanern herrschte vor 1998, also vor Chávez, Verfolgung, Diktatur und Gleichschaltung; Demokratie habe immer nur für die regierende, gut verdienende Klasse gegolten. Das Öl sowie auch das Geld aus den Eröleinnahmen seien in die Vereinigten Staaten, in die Schweiz oder andere reiche Länder geschickt worden, in Venezuela selber habe man nie etwas davon gesehen. Jetzt, wo die souveräne Regierung einen neuen Sozialismus realisiere und eine wahre und partizipative Demokratie praktiziere, jetzt, wo Entscheidungen durch Volksabstimmungen direkt vom Volk kommen, wo jeder Bürgermeister genauso wie der Präsident per Volksentscheid abgesetzt werden könne, bezeichnet die amerikanische Außenministerin Rice Chávez als „negative Kraft in der Region“2, denn er wage es, die 500 Jahre alte Tradition, dass die Staaten Nordamerikas von den Bodenschätzen im Süden Amerikas profitieren, zu bekämpfen. Amerika fürchte den Schneeballeffekt, den Venezuelas Vorbild in Südamerika auslösen könnte und genau aus diesen Gründen sei Venezuela genauso wie der Iran in Gefahr, von Bush angegriffen zu werden.
Während die Venezolaner den Belgiern am Ende wünschen, dass auch ihr Präsident wie Chávez ist und zu intensiver, internationaler Solidarität mit ihrem Land aufrufen, um vereinigt gegen Amerika zu gewinnen und in Frieden und Freiheit weiterleben zu können, unterzeichnet ihr Oberhaupt Energieverträge mit Frankreich, Indien und China, tätigt Waffeneinkäufe, darunter Kalaschnikow-Gewehre und Militärhubschrauber in Russland, und verbrüdert sich mit dem Iran. Kevin Sullivan bringt Chávez` Position in seinem Artikel „Chávez stellt sich selbst als den Anti-Bush dar“ durch ein Zitat Gerver Torres`, eines ehemaligen venezolanischen Regierungsministers, auf den Punkt: „Er (Chávez) versucht alle Feinde der Vereinigten Staaten zu vereinen. Er glaubt, dass die Vereinigten Staaten der Teufel sind.“3. Ersterer teilt den Lesern außerdem mit, dass die südamerikanischen Staaten von einer zunehmenden anti-amerikanischen Stimmung beherrscht würden, die durch den venezolanischen Präsidenten repräsentiert würde. Sein Ziel sei es, die antiamerikanischen Tendenzen zu bündeln und gegen die imperialistische Macht der Vereinigten Staaten zu richten, was er mithilfe von Energieallianzen mit Kuba, anderen Ländern Lateinamerikas, Europa, dem Mittleren Osten und Asien erreichen will. Doch noch solange seien die USA Venezuelas wichtigster Kunde, denn sie nähmen dem Land 60% seiner Ölexporte ab. Und solange bliebe auch die venezolanische Bevölkerung in zwei Lager gespalten.
Es brodelt in den südamerikanischen Ländern. Und wo es das noch nicht tut, keimen Samen der Wut und Revolte, der Revolution und Zorn auf Amerikas Neoliberalismus – Che Guevara riebe sich fröhlich die Hände. Es soll sich laut dieses Films etwas so Positives und Schönes in Venezuela ereignen, dass es kaum zu glauben ist. Entgegen aller Medienberichte über politisch Verfolgte und Verletzungen der Menschenrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit, in Venezuela, spricht dieses Zeitzeugnis klar und deutlich von den wahren Vorgängen. Doch was ist Wahrheit und welcher Quelle kann der Leser vertrauen? Welche Zeitung ist von welcher Regierung beeinflusst und welcher Fernsehsender verkauft seine Pressefreiheit an welchen Multinationalen? Von wem beziehe ich meine Information? Müsste ich nach Venezuela reisen…?



Quellen:
- Film „Brüssel-Caracas“- ein Film von Vanessa Stojilkovic
- http://www.vcrisis.com/index.php?content=de/200503170444 am 10.7.2007
Wikipedia am 10.7.2007


Fußnoten:
1 http://de.wikipedia.org/wiki/Venezuela#1998_bis_heute
2 http://www.vcrisis.com/index.php?content=de/200503170444
3 siehe 2

August: Was ich alles gelernt habe im vergangenen Jahr

Ich habe gelernt, dass Freundschaften vergehen, weil Menschen sich ändern, dass nicht alle Menschen „nett“ sind und fast niemand ohne Eigennutz etwas tut. Dass Melisse Lachen macht und Johanniskraut die Nerven stärkt. Ich weiß jetzt, wie man Beton macht und dass man keinen Raubbau am eigenen Körper begehen darf; wie der Mensch, obwohl er eines ist, immer verstecken will, dass er ein Tier ist; wie schnell ein Jahr vorbeigeht und dass man im einen Moment himmelhoch jauchzend und im anderen zu Tode betrübt sein kann.
Ich habe erfahren, dass das Leben schneller vorbei sein kann, als man es sich vorstellt und dass, wer mit seinem Leben spielt, den Preis dafür zahlen wird. Ich habe gelernt, mich auf Französisch zu unterhalten, selbst am Telefon, und auch meine Kommunikationsfähigkeiten auf Deutsch verbessert. Ich nehme reger am täglichen Leben und meinem Umfeld teil.
Ich habe gelernt, Regen und Gewitter toll zu finden. Ich kenne nun das Gefühl des Regens auf nackter Haut. Ich habe den Sport meiner Kindheit und Jugend auf ganz einzigartige Weise für mich wiederentdeckt und erkannt, dass das Paddeln perfekt zu der Mischung aus Naturbegeisterung und sportlichem Ehrgeiz, die in mir steckt, passt. Ich habe Auto zu fahren gelernt und das blöde Gefühl erfahren, (mehrmals hintereinander) geblitzt zu werden.
Ich habe nicht das Rezept endgültiger Glückseligkeit gefunden, wohl aber erkannt, dass Glück und Freude, Traurigkeit und Depression zwei Wächter vor den Toren der Seele sind, die sich in wiederkehrenden Zyklen abwechseln. Das Leben ist ein Auf und Ab, ein Wellenschlag der Natur.


Ich weiß heute, dass mich das Reisen im oder mit dem Auto nicht glücklich macht. Um zufrieden zu sein, muss ich mich „by fair means“ fortbewegen, also zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem Boot etc. Ich habe Herman Hesse bis zum Geht-nicht-mehr gelesen und seine Lebenseinstellung und seine Weisheiten mit dem Strohhalm eingesogen.
Ich war in Montpellier, Béziers, au Salvet, meiner ersten WWOOF-Farm, in Carcassone, im Département Aude, in Chalon-sur-Saone auf dem Nachhauseweg, Zuhause, in Rouen bei meinem Freund Antoine, von wo aus wir weiterzogen in die Bretagne, nämlich nach Concarneau an den Strand, wo wir im Zelt bei Minustemperaturen übernachteten; ich war in Brest, in den Mont-d´Arées, im Zauberwald von Huelgoat, in Guingamp, nochmals in Brest, im Zug auf dem Weg nach Hause, auf Jens` Beerdigung Zuhause, in Menez Kerveyen beim Zaunbau, in Nantes, Bordeaux, Bayonne, Biarritz, St. Jean de Luz, bei einer doofen deutschen Kommune im Départment Gers, noch mal in Carcassone, in der Nähe von Lodève bei der Arche de la Borie, wo es wunderbar war, in der Provence bei einer Longo-Mai-Gemeinschaft und beim Wandern in den Luberon-Bergen. Danach befand ich mich auf der Durchreise durch Cannes, Nice, Monaco, in Ventimiglia beim Gnocci-Essen, in Imperia mit einer Autopanne (4 Nächte!!), in Genua, bei Alessia in Mailand, die wir entführt haben gen Florenz, Siena, nach Petriolo und Saturnia zu den heißen Quellen, nach Neapel und danach nach Kalabrien, nach Reggio di Calabria und auf die Fähre nach Sizilien. Ich war auf Sizilien! Dort in Messina, zur Notte bianca in Catania, in der Totenstadt von Pantarica, in Portopalo, in Ragusa, in Agrigento, im Valle die templi, in Palermo, auf der Eolie-Insel Salina im Norden von Sizilien, in Rom, noch mal in Mailand, an einem Tag in fünf verschiedenen Ländern, nämlich in Italien, in der Schweiz, in Liechtenstein, in Österreich und in Deutschland. Ich bin Zuhause angekommen und habe mich ganz groß gefühlt in unserem Fachwerkhaus.
Ich habe gelernt, wie befreiend es sein kann, aus Versehen seinen Handyspeicher zu löschen. Ich habe die Freunde wie Unterhosen gewechselt und will die jetzige anbehalten.
Was wird nun geschehen? Ich bin gespannt...

Juni: Wiederbelebte Kindheitserinnerungen auf der Loire

Loirefahrt vom 13. bis 27. Juni

Am Ufer des Doubs, wo mein Begleiter Antoine und ich die warme Nacht verbringen, notiere ich folgende Vorreflexion:
Was erwarte ich mir von knapp 650 (es sollten nur 347 werden) Kilometern Loire?
Ich wünsche mir, dass die Ruhe und innere Harmonie des schweigenden Flusses auf mich abfärbt und mir auf diese Weise zu mehr Gelassen- und Ausgeglichenheit verhelfen wird.
Ebenso ist es mir ein Bedürfnis, endlich „by fair means“ zu reisen und die Spritschleuder am Flussufer zurückzulassen. Ich kenne das Kanufahren seit ich krabbeln kann, habe jedes Jahr vor allem mit Vater und Bruder längere Touren, Gepäckfahrten, erlebt, doch nun selbsr zu entscheiden, wann es wohin losgeht, dem eigenen Gefühl und Kopf zu folgen, beschert mir ein wunderbares Gefühl der Freiheit, das ich nie genug auskosten kann. Ganz einzutauchen in das wilde Leben draußen, jede Nacht unterm Tarp (Plane aus Zeltstoff) zu verbringen, bei Sturmwind, Gewitter und Hitze auf und am Fluss zu leben ich will.


Die Loire ist zum Glück noch wild genug, dass sich Freizeitsportler nicht in die Quere kommen; auf unserer zweiwöchigen Tour trafen wir nur wenige andere Paddler: Einmal in Nevers beim Kanuclub, wo Kinder ihre ersten, freudigen Paddelversuche machten; anderntags trafen wir aehnlich Natur- und Kanubegeisterte auf einer Sandbank, wo wir beim gemeinsamen Abendessen die Fahrtenerlebnisse austauschten.

Erste Feurprobe bestanden: Nachdem wir unser Auto bei der Capitainerie am Hafen, dem „Port de Plaisance“ in Roanne zurueckgelassen haben, starten wir bei schwueler Luft und sehr gutem Wasserstand in ein paar flotte Schwaelle. Bei Niedrigwasser waere das Vorhaben, ab Roanne sofort in die Loire zu starten durch Umtragungen noch in der Stadt muehsam, doch wir ziehen den richtigen Fluss dem Kanal diesmal vor. Der erste Versuch, das Tarp aufzubauen, geraet durch Gewitter zur Nervenprobe; die Heringe halten im feuchten Boden nicht.

Wolken brechen auseinander auf uns drauf
In uns hinein.
Wer kommt uns retten?

Der Traum

Draußen herrscht der Regenkönig mit unerbitterlichem Zorn
Die Vögel, patschenass, singen nicht mehr.
Die Flüsse sind randvoll, der Meeresspiegel steigt ,
wir müssen das Lager abbrechen, aufbrechen zu neuen Horizonten,
nicht zusammenbrechen. Pitschepatschenass im Regen,
bis das Dach endlich hält vergehen
bis ich endlich im weichen warmen Schlafsack
liege, Romantik und Geborgenheit die Knochen heraufgekrochen kommen.
Langsam, ganz langsam, schleichend, Schlaf.
Mit geschlossenen Augen in der Sonne stehen, aufgewärmt
Werden mit Licht, Energie, SOLARenergie –
Überm Wasser liegen kleine Funkelstrahlen –
Behäbig hineingleiten, sich rundum ruhig fühlen,
Aufgenommen in den Schoss, hineingeboren, von vielen Herzen erwartet,
Herzlich gelacht, ich komme.

Also wieder Regenschauer und Gewitter, schwarze Wolken drohen warnend; die rasch anschwellende Loire zwingt uns, dem vorbeitreibenden Zug an Schwemmholz, halben oder ganzen Bäumen, zu folgen und unseren Lagerplatz, der in Kürze am Absaufen ist, schleunigst zu verlassen.




Die nächsten Tage werden schön, doch immer schleicht sich nachts die link drohende Sorge um eine herannahende, neugierige Herde Charolais-Kuehe mit wild schnaubendem Stier-Anhang, die an beinahe jedem Ufer gemütlich und beinahe gelangweilt ihr Gras wiederkäuen. Und tatsächlich werden wir einmal von vielen weißen Köpfen geweckt; wir liegen direkt auf ihrem Weg zur Tränke Loire. Diesen Morgen bleiben die scheuen Tiere durstig, denn sie trauen sich kaum auf 20 Meter heran, doch wir sind dafür schon hektisch und verschlafen um kurz vor 8 auf dem Wasser und genießen die weiten Schleifen und großen, imposanten, steilufrigen Abbrüche der Loire, beobachten den Wechsel der sandigen Ufer und großen Kiesbänke, navigieren vorbei an Auwäldern und wilden Inseln, wo mir mein Herzklopfen die wilde, unberührte Natur und paradiesische, französische Loirestrände anzeigt, auf denen Kinderabenteuer auf Lagerfeuerromantik trifft. Herrlich! Ich fühle mich gut, frei und spuehre eine unbeschreibliche Harmonie mit mir selbst und meiner Umgebung.
Nachdem wir das Wehr in Decize umtragen haben und erneuter Regen uns an der Weiterfahrt hinderte, finden wir den tollsten Lagerplatz, den man sich vorstellen kann: Am linken Ufer kommt ein Baumhaus in Sicht und Traeume auf: Wir speisen unter einem Dach und wohnen zweistoeckig wie die Kinder und Raeuber im Baum.

Am nächsten Tag brennt uns endlich die längst erwartete Sonne aufs Haupt. Wir flüchten uns vor ihr in die wohlige Kühle der Kathedrale in Nevers. Später im Supermarché, der im Untergeschoss liegt, höre ich dumpfes Prasseln; patschnasse Mädchen keuchen an uns vorbei und streifen sich die Nässe aus den Haaren; die Kassen fallen aus, weil Regen ins Gebäude gedrungen ist. Nach dem Unwetter marschieren wir in Sorge zum Kanuklub, wo wir unseren William ohne weise Voraussicht unangebunden am Ufer liegen gelassen haben. Dort bietet sich ein Bild der Zerstörung. Jetzt ergibt das sarkastische: „Stellt euch gut unter!“ des Barbesitzers einen Sinn: Mehrere ausgewachsene Uferbäume liegen umgestürzt und vollkommen entwurzelt auf der Wiese, der größte direkt neben unserem Boot, das keinen Kratzer abbekommen hat.Unterm Tarp, mit dem wir das Gepäck abgedeckt haben, liegen noch die trockenen Pullover.

Neben uns rauscht die Polizei von Nevers an einem Rettungswagen vorbei. Leicht geschockt machen wir uns ans Umtragen der gewaltigen Steinbrücke von Nevers, was wunderbar klappt, indem wir den Fahrradweg mit unserem Bootswagen blockieren. An der Einsetzstelle erzähle ich Antoine, dass ich hier vor einigen Jahren schon einmal mit meiner Paddelfamilie unter sengender Sonne gekocht habe und dass wir danach in Kindermanier im Schlamm gespielt haben. Noch einen Paddelkilometer, dann schlagen wir unser Tarp links auf einer Insel auf und baden in der Abendsonne. Von wegen „kaum Zeltmöglichkeiten nach Nevers“!
Mittlerweile ist die Loire richtig breit geworden, vor allem durch den Zustrom des fast gleich großen Allier nach Nevers. Immerzu teilen nun Inseln den Fluss und man muss aufpassen, den richtigen Arm zu erwischen, weil man sich ansonsten leicht in eine Sackgasse begibt. Genau so habe ich es schon ein paarmal erlebt: Baden, Waschen und Spülen im Fluss, Sand in den Haaren und in den Töpfen; gelegentlich Landgänge, z.B. in la Charité-sur-Loire, einer „Stadt der Bücher“ mit etlichen Buchhandlungen, als Blitzrückkehr in die Zivilisation, wo wir geschickt die typische Regenzeit, nämlich den Spätnachmittag, unter dem Vordach eines Irish Pub verbringen. In der Nacht, bei heiserem Fuchsgebell und dem platschenden Bad eines größeren Tieres, vielleicht eines Bibers, träume ich meine eigene, wilde Seite herbei, sehe mit geschlossenen Augen, wie sie erwacht, auflebt und glitzert, wie es ihr gut geht und wie sie gedeiht…

Widrige Umstände

Am 23. Juni notiere ich: „So, mittlerweile wird es anstrengend, für den Körper ebenso wie für die Nerven. Antoine hat einen Hexenschuss und ich bin genauso fertig. Die wildromantischen Kinder- und Traumvorstellungen vom naturnahen, freien Leben weichen der Realität. Ich bin weder ernüchtert noch gewillt, aufzugeben, doch ich weiß, dass die gestern im gemieteten Wohnwagen verbrachte Nacht hier in Briare-le-Canal auf dem Campingplatz einfach nötig war.“
Denn am 21. Juni, dem Tag des Sommeranfanges, waren die Temperaturen von schwülwarm auf durchschnittliche Juniwerte gefallen. Trotzdem lege ich die Hesse-Biographie beiseite und lasse mich sanft ins milde Loirewasser gleiten. Hesse hatte es bei seinem täglichen Morgenbad im kalten Rhein etwas härter. Mit geschlossenen Augen lasse ich mich im seichten Wasser treiben, fühle mich vom halb warmem Wasser weich umgeben. Mein Morgenwaschgang gerät zur Wonne.
Nach Sancerre, das herrschaftlich-feudal auf einem Berg liegt, kaufen wir in Saint-Thibault ein und kosten Käse und Brot am Ufer der dort mündenden Vaucize.
Wir beabsichtigen, noch vor dem immer näher rückenden Kernkraftwerk zu nächtigen. Da treffen wir eine Gruppe von vier anderen Paddlern – die erste „richtige“ Paddlerbekanntschaft auf unserer Fahrt, und noch dazu sind es wahre Kenner der französischen Gewässerlandschaft! Wir teilen Wein und Abendessen mit den Kameraden, und als ich nach ihrer Vereinszugehörigkeit frage, behaupten sie: „Nous, on n´est que des sauvages!“ und gleich darauf beweisen sie ihre „Wildheit“, indem sie ein riesiges Lagerfeuer entzünden, an dem wir uns nach dem göttlichen Sonnenuntergang wärmen. Anderntags fahren wir gemeinsam bis zum besagten Briare, doch zuvor werden wir am AKW freundlicherweise geschleust und gleich darauf von Regen und Wind überfallen. Das ist der Grund, warum wir in dem schönen, verträumten Städtchen Briare-le-Canal nach der Unterquerung des Kanals, der als Brücke hoch über die Loire geführt wird, rechts an Land gehen und sehr bald dankbar einschlafen, ganz ungewohnt, „zivilisiert“ zwischen vier Wohnwagenwänden.
Anderntags geht es mit frisch gekaufter Regenkleidung aufs Wasser. Aber jetzt kommt Wind auf und wir haben beide gehörige Schwierigkeiten beim Steuern. Deshalb sitzen wir bald ungewollt in Chataeuneuf-sur-Loire fest und essen in einem leeren Festzelt am Ufer mürrisch Schokolade. Draußen brausen wilde Wolken vorbei und Surfer fegen über die spitz gezackten Wellen und an unserem „William“ vorbei, der ungeduldig wartend brachliegt. Gegen den Wind kommen selbst die Möwen nur mühsam an – wie wollen wir mit unserem „Lastkahn“ da vorwärts und nicht rückwärts fahren? Gien ein paar Kilometer flussaufwärts ist noch sonntagsverschlafen und ruhig dagelegen; von hier aus konnte man schon wieder vier riesige Kühltürme sehen, für mich nochmals eine heftige Störung der Idylle auf dem schönen Fluss. Auch dort, am AKW Dampierre-en-Burly, das stolz-arrogant ins Blaue hineinragt, habe ich mich seltsam unheimlich gefühlt; Gudrun Pausewangs „Die Wolke“ lässt grüßen. Als Kind sind mir diese hässlichen Bildstörungen kaum aufgefallen, da hatten sie noch keinerlei vitale oder gar politische Bedeutung.
In einer Linkskurve, in der die Kühltürme von Bäumen verdeckt werden, haben wir Chapati mit Gemüse gekocht und ich habe jeden Bissen mit geschlossenen Augen genossen. Später habe ich die Sandufer der Insel erkundet und am Abend im Alleingang das Schloss in Sully-sur-Loire besichtigt, eines der wenigen Schlösser, das von einem breiten Wassergraben umgeben ist.
In der Nacht aber hat sich ein kräftiger Wind erhoben und gefährlich an unserem Tarp gerüttelt…

Abbruch in Orléans

Auf einer Sandbank wenige Kilometer vor Orléans ist klar: Wir brechen die Tour morgen ab. Antoine ruft seine Mutter in Rouen an, die wir danach besuchen wollen. Traurig bin ich und müde; und schwer nehme ich Abschied von „meiner“ Loire:

Schwere Wolken ziehen übers Land – heiho!
Darunter sitzen müde schnaufend, ständig Töpfe spülend,
wild gegen den wütenden Westwind Ankämpfende.
Wo kommen sie her? – aus Roanne. Wo wollen sie hin? – nach Nantes.
Sollen wir uns da nicht besser in der Mitte treffen und
Orléans nach dem Weg fragen?

Weine eine Träne morgen zum Abschied,
guter, treuer Fluss.
Jetzt, wo die Sonne
auf mein Papier scheint, würde ich dich gerne
umarmen, doch du bist zu kalt,
an diesem Juniabend.

Unbarmherzig schaut dein altes, schmoddriges Gesicht,
kalt und kalt.
Bis zum Sturm liege ich an deinen streichelweichen Stränden
in der Sonne, blinzle vergnügt in dein Antlitz.
Bis zum nächsten Sonnenstrahl heule ich Verzweiflung
in die prasselnde Regennacht.

Aufgehen in dir, mich hineinwerfen und bleiben,
aufgenommen, mitfortgerissen, mitgeschwemmt
werden, bis nichts mehr übrig bleibt,
bis eins ist.
Immerfort fort von hier, weg von hier, weiter, nichts bleibt
liegen an Ort oder Stelle. Mitgenommen,
Sand, Stein; Ast, Stamm; Kadaver, Müll und Ball.

Seelenverbunden, ineinander verschlungen
in dein azurnes Wasser im Sommer,
deine Schlickschwemme,
deine braune Brühe bei Hochwasser,
deine kleinen, süßen Seitenarme spielen mit Ufern.
Spiele bis zum nächsten Mal, bald
sehen wir uns wieder.

12.12.2007

August: Die letzen Tage im alten Zuhause

Die letzen Tage im alten Zuhause

Ich begreife es noch nicht so richtig, bin viel zu abgelenkt, indem ich mich selbst hetze, vorantreibe, ansporne, doch dies sind meine letzen wirklichen Tage zu Hause.
Natürlich werden auch noch später dieses Haus und dieser Garten, diese Nachbarn und das Glockengeläut, dieses Dorf und dieser Landstrich mir Heimat bedeuten und mein Zuhause sein, doch es wird sich verändert haben. Die letzten Tage, in denen ich hier meinen Wohnsitz habe, obwohl auch das schon länger nicht mehr so ist, weil ich den Großteil des vergangenen Jahres „auf der Straße“, „sur la route“, wie die Franzosen sagen, verbracht habe. Aber immer noch war der feste Bezugspunkt das oberschwäbische Blochingen, das so idyllisch am südlichen Rande der schwäbischen Alb im Donautal liegt.
Diese Tage verbringe ich wartend und angespannt; hecke ständig Pläne aus, laufe gestresst wie ein Tiger durch das Haus, renne die Treppe hinauf und stolpere sie wieder herunter. Wie ein wildes Tier im Käfig, das weiß, dass es bald heraus darf aus dem beengenden Gehege ins große Draußen. Oder ein Kind aus dem Sandkasten auf die richtige Baustelle.
Noch bin ich hier und packe meine Koffer. Ich nehme mit: Besteck, Matratzen, Teller, Teppiche, Bilder, Decken, Bücher, Klamotten. Was man zum Studieren halt so braucht. Doch zuvor – ich weiß es – wird es mich noch hinausziehen in das Land, das mir in meinem „Sabbatjahr“ so sehr ans Herz gewachsen ist, dessen Chansons ich mittlerweile laut mitsingen kann, dessen Sprache, Literatur und Kultur ich zukünftig studieren möchte.
Und wenn ich wiederkomme, muss ich allen meine neue Adresse schicken und sie einladen. Dann werde ich endlich mit dem Fahrrad zur Uni fahren und mit Büchern aus der Unibibliothek schwer beladen wieder zurückkeuchen. Dann beginnt ein Lernen und Kräftemessen, ein hoffentlich freundlicher und anregender Wettstreit, ein gegenseitiges Anspornen. Wie wird es sein, das erste Ausprobieren, Entdecken, Schmecken? Und werde ich vielleicht Lunte riechen und Geschmack daran finden? Wie wird das erst alles, wenn ich nicht nur im neuen Studienort wohne, sondern dort auch lebe, ihn mitgestalte und verändere? Was erwartet mich da?
Die letzten richtigen Tage scheinen zäh dahin zu fließen, doch sie ahnen noch nicht, wie schön sie sein könnten. Ganz langsam Abschied nehmen – fürs Erste –, sanft winken, bis bald. Ich bin noch da, aber ich löse mich, damit etwas Starkes, Kostbares aufblühen kann.
Was bringen diese Tage, diese Stunden? Wie werden sie sich füllen?
Mit gespannter Aufmerksamkeit auf das Neue und Alte, das Kommende und Gehende, mit Wachsamkeit und Hellhörigkeit. Mit Würde und Achtung. Mit einem Lächeln, das Freude auf den Lippen hat.

« Boire du vin, c’est boire du génie. »

« Boire du vin, c’est boire du génie. »

Charles Baudelaire


« Combien de verres un canon doit-il faire, avant que j’oublie mon nom ? »
The answer my friend is blowing in the wind, the answer is blowing in the wind. La réponse souffle dans les feuilles des vignes apparemment. «


C’est pendant neuf jours que j’ai vendangé sur le domaine de Jean Michelot à Pommard en Bourgogne. J’étais collante de raisin après les nombreuses batailles dans les vignes, je me suis baignée dans du raisin et j’ai trouvé la vraie signification de l’expression « être dans les vignes du Seigneur ».

Le quatrième jour, la journée la plus dure, j’étais trempée de sueur au soleil et j’ai maudit chaque grappe qui était encore accroché à la vigne. Ce soir-là, le vin avait un meilleur goût que tous les soirs auparavant. « Quel effort et quel soin sont apportés à chaque goutte de vin ! », me suis-je aperçue. « Veux-tu boire un Kir comme apéro ? », me proposait la belle Sophie. Et elle versait un peu de Crème de Cassis et du Bourgogne Aligoté dans mon verre. Son joyeux « Voilà un vrai Kir, ma chère ! » me rendait aussitôt contente, tellement j’étais heureuse d’avoir tenue jusque là.
En septembre, les petits villages de Bourgogne, d’ordinaire calmes et silencieux, s’agitent et se transforment en fourmilière. Des gens du monde entier arrivent dans le petit coin perdu à la campagne et font que ce temps est le plus chaotique et tumultueux et en même temps le plus joyeux et vivant de l’année. Le petit bar de Pommard est envahi par une vague de vendangeurs bruyants et bien assoiffés. Il y en a qui y investissent tout leur salaire dans la nourriture liquide ! Mais nous, on voit de moins en moins de jeunes ou d’autres vendangeurs car Jean retarde chaque année le début des vendanges et de cette façon, il est le dernier à commencer à cueillir. Chaque année, il attend avec patience le bon moment pour couper son raisin et l’amener à la maison dans ses grandes cuves.

Son domaine, créé au 17ème siècle, s’étend sur une superficie de 7,5 hectares. Parmi ses vins rouges, il y a le Pommard, le Pommard 1er Cru et le Pommard « Les Noizons », tous issus de cépages « Pinot noir ». On buvait beaucoup le Bourgogne Passetoutgrain qui est, selon son nom, un mélange de Pinot noir et Gamay, l’autre espèce de vin rouge du domaine. L’appellation Bourgogne Hautes Côtes de Beaune mérite bien son nom puisque pendant quelques jours, nous nous sommes transformés en chèvres de montagne en grimpant en haut des coteaux de Pommard. Puis, dans une matinée entière, on cueillait les grappes énormes de Meursault, le Chardonnay précieux, et en se retournant on avait la plus belle vue du monde sur les collines pleine de vignes de Pommard, Meursault et Volnay, trois villages assidûment occupés à produire les vins savoureux de la Côte d’Or.

Il n’y a pas le temps de cuver son vin le matin ! A sept heures moins quart, Hubert, qui dort avec nous dans le squat, nous réveille brusquement en criant « Debout là-dedans, tas de fainéants ! » et en allumant la grande lumière. Il parait que cette cérémonie quotidienne fait partie du jeu.
Après une vingtaine de bisous et le petit déjeuner, on se serre sur les banquettes des deux fourgons et Hubert et Dadou partent à fond la caisse. On a de la chance qu’il n’y a presque plus d’autres camions dans les ruelles étroites de Pommard. Je m’imagine le chaos en pleine saison ; les klaxons, les cris, les jurons…
Le matin, le raisin est encore froid et mouillé ; on se coupe facilement. C’est évident que le premier matin, je me suis tout de suite blessée quatre fois et ça saignait et saignait. Rouge sur ma main, rouge dans le seau.

« Nina, Nina, chante une chanson ! »

Elle est à toi, cette chanson,
Toi Daniel qui sans façon,
M’as donné une paire de gant,
Quand je me suis coupé la main.
Toi qui m’as donné du soulagement quand
Les Croquantes et les Croquants,
Tout le raisin bien acide
Me brûlait dans les coupures.

Ce n’était rien qu’un peu de miel
Mais il m’a aidé à guérir.
Et dans mon âme il brûle encore
A la manière d’un grand soleil.
Toi Daniel quand tu mourras,
Quand le croquemort t’emportera,
Qu’il te conduise à travers ciel
Au père éternel.

L’esprit d’équipe, qui se compose pour la plupart d’amis de Jean, est génial. Même si quelqu’un coupe plus lentement que les autres, parce qu’il ou elle a une ligne chargée de raisin ou beaucoup de pourri, qu’il faut enlever, ce n’est pas grave. Comme c’est plus drôle d’avancer ensemble en discutant ou en chantant, on coupe toujours un peu chez le voisin.
Le vrai TGV des vignes, c’est Sandrine. A peine commencé, elle est déjà au bout ! Hubert et Daniel, sont occupés à vider nos seaux dans les caisses que Dadou et Gérard, les gros bras, vont chercher en fourgon et amener dans les cuves.



Les deux chiens de Marie et Sophie, Onyx et Merlin, sont contents de pouvoir se balader librement dans les vignes. Un jour, Onyx s’allonge dans mon rang. Chaque fois que je m’approche, elle sursaute, s’écarte et se rallonge un peu plus loin avant que le jeu ne recommence. Ah, j’aimerais tant moi aussi m’affaler à l’ombre fraîche de la vigne !

Le soir, tout le monde se précipite pour enlever la couche collante de crasse sous la douche et savourer le premier verre de la fin de journée de travail. En rentrant des vignes, nous buvons toujours du Bourgogne Rosé bien frais avec Daniel. D’habitude, Sophie, Maud, Antoine et moi faisons une promenade avec Merlin qui doit, pendant les premiers jours, rester dans la maison. Avec les deux filles de la Savoie nous montons sur les collines romantiques de Pommard et laissons pendre nos jambes, assis sur les petits murés qui entourent les vignes. Puis, nous ne mangeons pas mais nous nous cassons le ventre et nous faisons la fête. Heureux, joyeux, bien vivant et content !


Dans les cuves énormes, le jus de raisin commence à fermenter ce qui engendre de la chaleur. Afin de suffisamment mélanger les raisins qui remontent à la surface et le jus qui se trouve en dessous, il y a deux possibilités : La première solution, c’est de faire couler la masse ferme manuellement avec un long bâton, un pigeoir:


La façon traditionnelle consiste à grimper nu dans le tonneau et à écraser et à battre le raisin avec les pieds et les jambes, puis à faire tourner le tout avec son corps:


Jean est un des derniers viticulteurs qui préfère cette deuxième méthode. C’est pour ça que nous bénéficions d’une super vinothérapie : Deux fois je grimpe dans le bain chaud et agréable. Pourtant il faut être prudent ! Chaque année des gens se noient dans les cuves, évanouis à cause des gaz de la fermentation qui remontent quand on mélange. C’est pourquoi nous ne grimpons qu’à plusieurs dans les cuves. Comme Sophie ne supporte pas les vapeurs, elle redescend tout de suite les échelles et aide Jean à nettoyer le sol en costume d’Adam dont lui, Jean, est ravi. Le bain dans le vin enivre d’une autre façon que l’alcool ! Après, nous réanimons les fabuleuses années 60 en retournant ensemble de la cuverie à la maison – à poil ! D’après Jean, cela n’était pas arrivé depuis plus de vingt ans.

La dernière soirée, nous faisons une grande fête – la paulée – et Jean nous sort son meilleur vin. Après le dîner délicieux (On n’avait pas de semoule cette fois, cool !) nous trinquons encore une fois aux vendanges 2007. Que cette récolte soit une très bonne année !
Est-ce que nous nous reverrons l’année prochaine ?

Weinlese in der Bourgogne




« Boire du vin, c’est boire du génie. »

Charles Baudelaire



« Combien de verres un canon doit-il faire, avant que j’oublie mon nom ? »
The answer my friend is blowing in the wind, the answer is blowing in the wind. La réponse souffle dans les feuilles des vignes apparemment. «


Neun Tage hielten wir auf Jean Michelots Grundstück in Pommard im Weinland Burgund die Weinlese ab. Ich klebte am ganzen Leib nach den zahlreichen Traubenschlachten in den Weinbergen, habe in Wein gebadet und die wahre Bedeutung des französischen Ausdrucks „être dans les vignes du Seigneur“; zu deutsch „in den Weinbergen des Herrn sein“, erfahren.


Am vierten Tag, dem der Erfahrung nach anstrengendsten und härtesten aller Tage der Lese, stand ich schweißgebadet in der Sonne und verfluchte in Gedanken jede einzelne Weintraube, die noch am Weinstock hing. An diesem Abend schmeckte der Wein so gut wie noch nie zuvor. „Welche Mühe und Sorgfalt stecken doch in jedem einzelnen Tropfen!“, erkannte ich. „Willst du einen Kir als Magenöffner?“, fragte mich die liebe Sophie und schenkte ein wenig Crème de Cassis und Rotwein der Sorte Burgund Aligoté in mein Glas. Ihr fröhliches „So, da hast du einen richtigen Kir!“ stimmte mich sofort zufrieden, so glücklich war ich, schon bis zu diesem Abend durchgehalten zu haben.


Im September erwachen die kleinen Dörfer im Burgund zum Leben, und wo vorher Ruhe und Ordnung herrschte, tummeln sich nun Menschen aus der ganzen Welt und machen den Herbstanfang zur turbulentesten, chaotischsten und gleichzeitig fröhlichsten und lebendigsten Zeit des Jahres. Denn in dem kleinen, verlorenen Flecken Pommard herrscht fortan die Betriebsamkeit eines Ameisenhaufens. LKWs und betrunkene Erntehelfer lärmen auf den Straßen, und die Dorfkneipe – ansonsten leer und trist – wird von einer Welle durstiger, bunt zusammengewürfelter Vendangeurs überschwemmt. Manche investieren ihre gesamten Tageseinkünfte abends wieder in flüssige Nahrung! Wir aber treffen immer weniger Jugendliche oder andere Weinlesehelfer, da Jean, der Patron, nahezu jedes Jahr den Beginn der Weinlese möglichst weit hinauszögert und dadurch als letzter beginnt. Jedes Jahr wartet er geduldig den richtigen Zeitpunkt ab, um seine Trauben nach Hause zu holen. Jeans Grundstück erstreckt sich über eine Fläche von 7,5 Hektar. Seine besten Weine sind der Pommard, Pommard 1er Cru (=Erstes, bestes Weinbaugebiet) und Pommard „Les Noizons“ (=Name einer Parzelle), die alle aus der Weinsorte Schwarzer Pinot hergestellt werden.
Jean verwendet höchste Sorgfalt auf die Herstellung seines edlen Tropfens. So wie die Weinlese macht er noch vieles von Hand.

Morgens besteht keine Chance, seinen Rausch auszuschlafen! Jeden Tag um Viertel vor sieben ruft Hubert mitleidslos „Los aufstehen, ihr Faulenzer!“ und macht das Licht an. Diese kleine Zeremonie scheint zur Weinlese dazuzugehören wie der Wein.
Nach zwei Dutzend Begrüßungsküsschen und dem Frühstück quetschen wir uns auf die Hinterbänke der Busse und Hubert und Dadou fahren mit quietschenden Reifen ab – um halb acht und keine Sekunde später. Wir haben Glück, dass fast keine anderen Wagen mehr auf den kleinen, engen Sträßchen unterwegs sind. In Gedanken male ich mir das Chaos zur vollen Saison aus: wütend und gestresst hupende, wild fluchende Fahrer…
Am Morgen sind die Trauben noch kalt und feucht, weshalb man sich leicht schneidet. Natürlich verletzte ich mich sofort am ersten Tag gleich vier Mal und blute heftig. Meine ganze Hand ist rot, so wie die Trauben im Eimer! Danach passe ich besser auf, wo ich schneide, aber der saure Saft der Trauben brennt in meinen Wunden. Daniel kommt auf die gute Idee, mir einen Schutzhandschuh zu geben, und es geht gleich besser.

Erntehelfer Sophie und Daniel

In der Gruppe, die vor allem aus Jeans Freunden besteht, entwickelt sich ein toller Teamgeist.



Wenn jemand eine Reihe erwischt hat, in der ganz viele Trauben hängen, oder viel Verschimmeltes wegkratzen muss, hilft ihm sein Nachbar, um auf gleicher Höhe zu bleiben. Es macht einfach mehr Spaß, wenn man gemeinsam vorwärts kommt und dabei zusammen quatschen oder singen kann.
























Der ICE des Weinbergs ist Sandrine, die, kaum angefangen, schon am anderen Ende ankommt. Hubert und Daniel sind stets eifrig damit beschäftigt, unsere mit Trauben gefüllten Eimer in ihre großen Kisten zu füllen, die dann Dadou und Gérard, Jeans starke Männer, auf dem kleinen LKW zu den Weinfässern transportieren.

Die beiden Hunde von Marie und Sophie, Onyx und Merlin, fühlen sich im Weinberg richtig wohl! Einmal fläzt Onyx in meinem Rang, und immer wenn ich näher komme, springt sie auf, entfernt sich und legt sich ein kleines Stück weiter gemütlich hin. Wie gerne würde auch ich mich im kühlen Schatten des Weinstocks ausruhen!



Abends haben es alle eilig, die klebrige Dreckschicht unter der Dusche loszuwerden und das erste Glas des Feierabends zu kosten Nach der abendlichen Heimkehr aus dem Weinberg trinken wir immer kühlen Burgunder Rosé mit Daniel.
Sophie, Maud, Antoine und ich machen mit Merlin, Sophies Hund, meist einen kleinen Spaziergang, weil der Arme während der ersten Tage ganz alleine im Haus bleiben muss. Mit den beiden Mädels aus der Savoie wandern wir in die romantisch geschwungenen Hügel Pommards und lassen auch mal die Beine von den kleinen Mäuerchen baumeln, die die einzelnen Weinberge umgrenzen. Danach schlagen wir uns die Bäuche voll Fleisch mit Sauce, Bot und Käse und feiern. Der Wein dazu macht uns glückselig, fröhlich; lebendig und froh!


In den riesigen offenen Fässern beginnt der Traubensaft zu gären, was Wärme erzeugt. Um die sich an der Oberfläche ablagernden Trauben und den Saft darunter ausreichend zu mischen, gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist, die feste Masse mit einem monströsen Quirl manuell hinunterzudrücken:



Die traditionelle Art besteht darin, nackt in das Fass zu klettern und durch Stampfen und Schwimmbewegungen den gleichen Effekt zu erzielen:
Jean ist einer der letzten Winzer, die diese zweite Methode bevorzugen, und so kommen wir in den Genuss einer 1A-Vinotheraphie: Zweimal klettere ich in das warme, angenehme Bad. Doch es ist Vorsicht geboten! Jedes Jahr ertrinken Unvorsichtige in den Fässern, weil sie von den Gärungsgasen, die beim Durchmischen aufsteigen, ohnmächtig werden, weshalb Jean immer ein aufmerksames Auge auf uns hat, besonders wenn wir Mädels im Fass stampfen. Es ist unumgänglich, den Kopf immer wieder über den Rand des Fasses zu halten, um nach Luft zu schnappen. Das Weinbad macht dabei auf eine andere Art betrunken als Alkohol. Sophie bekommen die Dämpfe gar nicht gut, sie steigt die Leiter gleich wieder hinab und fegt statt dessen im Adamskostüm den Kellerboden, wovon Jean natürlich entzückt ist. Anschließend lassen wir, wie zuvor beschlossen, die wilden 68er wieder aufleben, indem wir gemeinsam durchs Dorf zurück zum Haus laufen – nackt! Jean meint, sowas sei das letzte Mal vor dreißig Jahren vorgekommen.

Am Abschlusstag machen wir eine Riesenfeier, und Jean zaubert seinen besten Wein aus dem Keller hervor. Die traditionelle „Polet“ am letzten Abend beginnt mit einer feierlichen Ansprache Jeans und mit saftigen Happen, danach essen wir Fisch und „Gigot d’agneau“, Lammkeule. Der Fisch darf natürlich auch ordentlich schwimmen – so bleiben auch an diesem Abend keine Kehle und kein Auge trocken. Noch einmal stoßen wir auf die Weinlese 2007 an. Auf das es ein guter Weinjahrgang werde! Wir sind alle geschafft und müde, aber stolz und fröhlich. Vielleicht werden wir uns nächstes Jahr wiedersehen?